Veranstaltungsreihe anlässlich des „Tags des Gedenkens“ beginnt am 16. Januar
Vor 80 Jahren befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz. An dieses Ereignis erinnert der 27. Januar als internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.
In Wiesbaden wird diesem Ereignis mit der Reihe „Erinnern an die Opfer“ gedacht. Die Zentrale Gedenkveranstaltung der Landeshauptstadt Wiesbaden findet am Montag, 27. Januar, im Stadtverordnetensitzungssaal statt. Es sprechen Stadtverordnetenvorsteher Dr. Gerhard Obermayr und Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende. Für den wissenschaftlichen Fachvortrag hat die Landeshauptstadt diesmal den Leiter der Arbeitsstelle Holocaustliteratur an der Justus-Liebig-Universität Gießen, Prof. Dr. Sascha Feuchert, eingeladen. Er wird die Rolle von Literatur im weitesten Sinne in den Ghettos und Konzentrationslagern aufzeigen und verdeutlichen, wie überlebenswichtig Schreiben und ebenso Lesen waren. An diesem besonderen Gedenktag kommen im Rahmen des Fachvortrags auch die Opfer und ihre Werke selbst zu Wort. Bekannte Namen werden genauso eine Rolle spielen wie Literatur von eher weniger bekannten Autorinnen und Autoren.
„Eine aktuelle Studie aus Nordrhein-Westfalen zeigt, dass mit dem zeitlichen Abstand zur NS-Zeit und dem Holocaust scheinbar auch der emotionale Abstand größer wird. Die Untersuchung legt offen, dass etwa die Hälfte der Befragten die Erinnerung an die Shoah ablehnt. Das muss uns alarmieren“, sagt Kulturdezernent Dr. Hendrik Schmehl. „Die Erinnerungskultur ist in einer sich ständig und rasant verändernden Welt unabdingbar. Sie ist Voraussetzung, um aus der Vergangenheit lernen, sich mit historischen Ereignissen kritisch auseinandersetzen und diese heute einordnen zu können. Traditionelle Formate sind zweifelsohne wichtig. Gedenken muss aber auch Räume schaffen, in denen insbesondere junge Menschen eigene Wege gehen können, um sich mit Geschichte zu beschäftigen. Dazu möchte die Reihe ‚Erinnern an die Opfer‘ einen Beitrag leisten“, sagt Dr. Schmehl.
Die Veranstaltungsreihe wird von in der Gedenk- und historischen Bildungsarbeit aktiven Wiesbadener Institutionen und Vereinen gemeinsam mit dem Kulturamt getragen. Sie beginnt am Donnerstag, 16. Januar, mit der Eröffnung der Ausstellung „Der Tod ist ständig unter uns“ im Wiesbadener Rathaus, zu der Hessische Landeszentrale für politische Bildung, Jüdische Gemeinde Wiesbaden und Stadtarchiv Wiesbaden einladen. Die Ausstellung wurde von der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen im deutsch besetzten Lettland konzipiert und ist bis zum 30. Januar im Rathausfoyer zu sehen. Riga war Zentrum jüdischen Lebens in Lettland. Mit dem Einmarsch deutscher Truppen im Juli 1941 wurde die Stadt zu einem Zielort von Deportationen und zum Tatort nationalsozialistischer Vernichtungspolitik. Zu den Opfern zählten auch Wiesbadener Jüdinnen und Juden.
Das Hessische Landesarchiv, Abteilung Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, zeigt noch bis zum 28. Februar die Ausstellung „Zwischen Nonkonformität und Widerstand“, zu der sie ein reichhaltiges Begleitprogramm mit Führungen und Workshops zum Thema Widerstand und Verfolgung anbietet.
Im Frauenmuseum Wiesbaden spricht Dr. Rolf Faber am Mittwoch, 22. Januar, zu den Lebensläufen Wiesbadener Jüdinnen und Juden im Exil. Am gleichen Tag zeigt die Caligari Filmbühne „Mein illegales Leben“. Im Anschluss berichtet Regisseur Gerhard Schick über die Entstehung des Films. Begleitet wird er von der Schriftstellerin Esther Dischereit, die Protagonistin des Filmes ist.
Ron Segal liest am Donnerstag, 23. Januar, in der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden aus seinem Buch „Jeder Tag wie heute“. Der Autor sucht in seinem Debütroman nach Möglichkeiten, wie ein literarisches Sprechen über den Holocaust für jemanden „zwei Generationen danach“ denkbar ist. Segal verwandelt den Topos Auschwitz fiktional in Literatur und stellt dabei ganz reale Fragen an die deutsche Erinnerungskultur.
Das Murnau-Filmtheater zeigt ebenso wie die Caligari Filmbühne weitere Filme zu den Themen Widerstand, Shoah und Gedenken. Am Dienstag und Mittwoch, 28. und 29. Januar, lädt das Medienzentrum außerdem zu „Kino macht Schule“ Schülerinnen und Schüler ins Caligari ein, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Auch das Freie Theater Wiesbaden ist mit seinem Kurzfilm und einer szenischen Lesung zum Stück „Die Macht der Entscheidung“ hier zu Gast.
Am Vorabend des Gedenktages lädt die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Wiesbaden zu einem Gedenkkonzert ins Rathaus ein. Am Dienstag, 28. Januar, öffnet der Heimathafen seine Türen und begibt sich auf die Spuren jüdischer Schicksale im Alten Gericht Wiesbaden. Das Evangelische Dekanat bietet am Dienstag, 4. Februar, eine Exkursion nach Eisenach und die Volkshochschule Wiesbaden widmet sich am Mittwoch, 5. Februar, der Betrachtung des Nationalsozialismus an der Macht zwischen 1930 und 1932. Die Zentrale Stelle für Provenienzforschung in Hessen betrachtet erneut gemeinsam mit der Katholischen Erwachsenenbildung die Herkunftsgeschichte eines Gemäldes aus den Beständen des Landesmuseums. Diesmal geht es um Gerard van Honthorsts „Die Falschspieler“.
Spiegelbild – Politische Bildung aus Wiesbaden begibt sich in diesem Jahr auf Spurensuche zur Sozialen Arbeit im Nationalsozialismus in Wiesbaden. Das Aktive Museum Spiegelgasse für deutsch-jüdische Geschichte Wiesbaden eröffnet am Sonntag, 9. Februar, seine neue Dauerausstellung zu Erinnerungsblättern und Stolpersteinen in Wiesbaden.
Der Rundgang „Im Versteck überlebt“ mit anschließendem Zeitzeugengespräch in der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden schließt die diesjährige Veranstaltungsreihe am Montag, 10. Februar. Das Ehepaar Naftali und Sofie Rottenberg überlebte die Shoah versteckt in Wiesbaden. Naftali Rottenberg war nach 1945 bis zu seinem Tod 1961 entscheidend an der Wiedergründung und dem Aufbau der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden beteiligt. Der Rundgang führt zu Stationen seines Lebens. Anschließend berichtet ein Mitglied der Jüdischen Gemeinde über die Leistungen Rottenbergs.
Alle Informationen unter www.wiesbaden.de/erinnern.
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Herausgeber dieser Pressemitteilung ist das Pressereferat der Landeshauptstadt Wiesbaden, Schlossplatz 6, 65183 Wiesbaden, pressereferatwiesbadende. Bürgerinnen und Bürger können sich bei Fragen unter der 0611 310 an die Telefonzentrale des Rathauses wenden.